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Sun, May

Kommentar/Personalknappheit: Pandemie-Ende und die Folgen

Gastronomie
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Kommentar von artichox-Chefredakteur Christian Meyer
Bern. Was kostet ein freundliches Lächeln? Bekanntlich nichts. Doch wie kommt es, dass ein weit über die Stadtgrenzen hinaus  bekanntes Restaurant derart ins Gerede gerät? (auf Titel klicken/wischen)

♣Die Personal- und Nachwuchsprobleme der Branche sind hinlänglich bekannt. Fast überall in der Schweiz und seit geraumer Zeit auch in Deutschland und Österreich, wird händeringend nach Personal gesucht. Ebenso bekannt ist, dass die fast zweijährige Pandemie viele bewährte und gut ausgebildete Mitarbeitende dazu bewogen hat, dem Gastgewerbe endgültig den Rücken zu kehren und sich einen Job in einem weniger krisenanfälligen Geschäftsfeld zu suchen.
Kommen wir trotz aller Schwierigkeiten zum Kern der Sache: Wenn man wegen unfreundlichen und gleichgültigen Personals gleich mehrfach aus dem Bekanntenkreis Worte hört wie "in dieses Etablissement setze ich nie mehr einen Fuss", ist dringend Handlungsbedarf nötig. Die Sicherstellung der Personalschulung ist Chefsache, im vorliegenden Fall erst recht. Und erst recht, wenn der Betrieb so gross ist, dass die Restaurantverantwortlichen die Gastgeberrolle voll und ganz wahrnehmen müssen (siehe auch unten).
Zum Schluss noch ein wenig Heiterkeit in diesen schwierigen Zeiten - Wunschdenken für Gastronomen in unseren Breiten: Komplett anders lag der Fall lange Zeit in Berlin mit seinem legendär unfreundlichen Servicepersonal. Dort amüsierten sich Reisegruppen aus der Provinz geradezu, wenn sie von einer schnoddrigen, kurz angebundenen "Berliner Schnauze" bedient wurden! (c) Christian Meyer

Ein weiterer Kommentar von artichox-Chefredakteur Christian Meyer (aktalisiert)
Grüezi - so heisst das Schweizer Dialekt-Kurzwort für " ich grüsse Sie" oder Grüssgott".
Weiss ja jeder. Hat sich auch in Deutschland und in Österreich herumgesprochen. Aber was auch gestandene Gastronomen manchmal nicht wissen (oder aus Zeitmangel vernachlässigen), ist das Begrüssen und das Verabschieden der Gäste, und zwar durch den Chef persönlich (auf Titel klicken/wischen). Nicht nur im Spitzenbetrieb. Das gilt auch für alle anderen, vom Traditionsrestaurant bis zur "Pension Alpenrösli" und dem hippen Street Fooder. Dialekt oder Hochdeutsch, das kommt auf die Situation an. Altmodische Faxen? Nein, alles andere als das. Diese Information haben wir von mehreren erfolgreichen, teils weltbekannten Sterneköchen und beliebten Gastronomen, etwa vom im April 2022 verstorbenen Jacky Donatz, der jahrelang den "Sonnenberg" in Zürich führte .Er formuliert es so: "Schäumchen machen in der Küche - alles gut und recht. Aber als Gastgeber sollte man sich unbedingt die Zeit nehmen, die Kundschaft gebührend zu begrüssen und zu verabschieden". Besonders junge Gastronomen sollten sich ein Herz fassen und Präsenz an der Front markieren. Das gilt auch für Kettenbetriebe. Dort müssen geeignete Geschäftsführerinnen/Geschäftsführer und deren Stellvertreter den Kundenkontakt sicherstellen. Und wenn man bloss die allgemein bekannten Höflichkeitsregeln einhält, ist schon viel gewonnen.
Damit wir uns richtig verstehen: Es reicht nicht, den Gästen nach dem Essen mit der obligaten Frage die Aufwartung zu machen: "Wie war's?" oder noch schlimmer das schweizerdeutsche : "Isch es rächt gsi?".  Warum nicht als Patron und Küchenchef schon nach dem Platznehmen der Gäste einen Gruss aus der Küche persönlich an den Tisch bringen, oder sonst eine kleine Aktion starten, welche das Eis bricht?
So sieht es der international bekannte Meisterkoch Andy Caminada vom Schloss Schauenstein im bündnerischen Fürstenau (3 Sterne Michelin) - er stellt klar:  "Der Mittelpunkt meines Schaffens ist und bleibt mein Restaurant auf Schloss Schauenstein“. Die meisten Gäste, darunter viele Stammgäste, erwarten, dass sie von ihm persönlich empfangen werden. „Das tue ich auch gerne und in Dankbarkeit; denn wer das Schloss Schauenstein besucht, monatelang auf einen Platz gewartet und oft eine lange Anreise zu uns ins abgelegene Fürstenau im Domleschg hinter sich hat, soll echte Gastfreundschaft erfahren“, sagt der Ausnahmekönner. Dazu gehöre eben auch die Begrüssung. Bloss einige wenige Tage pro Jahr nehme er Termine auswärts wahr. Dies könne sich indessen für gewisse internationale Rankings negativ auswirken, weil seine Präsenz in den Medien darunter leide. Doch er konzentriere sich in erster Linie darauf, das Niveau im Guide Michelin und Gault Millau zu halten, fährt er fort. Dies hindert Caminada jedoch nicht daran, etwa TV-Termine tagsüber wahrzunehmen und sich abends voll um seine Kundschaft zu kümmern. Ausserdem baut er seine Aktivitäten Schritt für Schritt und wohlüberlegt aus - etwa mit dem preisgekrönten Konzept "Igniv". Ähnlich zum Umgang mit Gästen äussern sich weitere Branchengrössen wie Anton Mosimann oder Daniel Humm. (c) Christian Meyer

 

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Luxemburg: Hannes Graurock vom Restaurant Le Luxembourg kocht "mit atemberaubender Präzision"  - der Kritiker ist begeistert.  Nachwuchsstar Graurock macht auch bei der Begrüssung der Gäste alles richtig -  die paar Minuten für einen Händedruck und ein paar nette Worte sind gut investierte Zeit. Das hören wir immer wieder von Köchen aus der obersten Liga: Von Caminada, Humm, Mosimann, Donatz und vielen anderen.  Mehr...

Spitzenköche auf der Jagd nach Qualität - ständig steigende Kosten werden zur Hypothek. Exorbitante Preise für Spitzenqualität sind schon seit geraumer Zeit ein Thema unter ambitionierten Köchen. Für manche sind die ständig steigenden Ausgaben gar existenzbedrohend. So sagt etwa der Spitzenkoch André Jäger (seit kurzem im Ruhestand, ehemals Fischerzunft, Schaffhausen), dass der zeitliche Aufwand, um erstklassige Produkte zu finden, in unvernünftiger Weise wachse. Stolze Preise für erstklassigen Kaviar, frische Krustentiere (etwas anderes kommt für den Sternebetrieb ohnehin nicht infrage) und Trüffeln sind für das breite Publikum nichts Neues. Doch  auch beim Fisch aus Wildfang wird es eng - so übersteigen Preise für Seezungenfilets locker die Hundert-Franken-Grenze. Wegen der Überfischung der Meere ist kein Ende der Preisspirale in Sicht.
Das Problem elegant gelöst hat etwa Michel Bras im abgelegenen südfranzösischen Laguiole. Zusammen mit seinem Sohn Sébastien ("Les deux Bras") führt er eine Küche auf höchstem Niveau, die Michelin seit 1999 mit drei Sternen bewertet. Die beiden Bras haben es geschafft, ihren Signature Dish Gargouillou - einen mit Blüten und Blumen dekorierten, raffiniert komponierten Gemüseteller - weltberühmt zu machen. Dabei verarbeiten sie von Bauern in der Umgebung gekauftes und auch selbstgezogenes Gemüse - billiger geht es kaum.
Vom Ruhm der beiden Bras ist Markus Burkhard vom "Jakob" in Rapperswil am Zürichsee noch weit entfernt.  Er schlägt aber einen ähnlichen Weg wie Michel und Sébastien Bras ein. Burkhard sucht Produkte aus der Umgebung oder aus Bündner Tälern; damit will er aus Unscheinbarem Grossartiges auf dem Teller präsentieren. Mehr über "Jakob"...

Letzte grosse Ehrung für Benoît Violier:"Mille table d'exception": Das Hôtel de Ville im waadtländischen Crissier ist gemäss der neuen Liste das beste Restaurant der Welt. Das Dreisterne-Lokal des inzwischen verstorbenen Benoît Violier führt die Konkurrenz-Liste aus Frankreich an, die als Antwort auf die britischen «50 Best» lanciert wurde. Mehr...

3Länder-Restaurant im Euro-Airport! Spitzenköche aus den drei Ländern Deutschland, Frankreich und der Schweiz werden den neuen gastronomischen Treffpunkt betreuen. Eine mutige und originelle Idee. Mehr...

Sensationell! Wissenschaftler interessieren sich dafür, wie Innovationen in der Spitzenküche zustande kommen. Sind diese kulinarische Innovationen mit den Prozessen in anderen Branchen vergleichbar? Dieser Frage ist die Universität Kaiserslautern nachgegangen.  Sterneköche verlassen sich stark auf die eigene Kreativität - wobei sie sich auch gerne durch Kollegen inspirieren lassen. Auch der Austausch mit Lieferanten und Gästen ist ihnen wichtig. Es gilt aber ein Ehrenkodex: Adaptieren erlaubt, kopieren verboten. Mehr...

Spitzenköche verfügen über ein gut funktionierendes Netzwerk - man ist eng verknüpft. Wer einen Koch von Rang und Namen anwerben will, braucht Zugang zu dieser verschworenen Gemeinde und muss sich auf ein Jahressalär von 120 000 - 200 000 Franken einstellen. Mehr...

 

 

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