Kommentar: Die "Hybriden" - eine wechselvolle Geschichte

Gastronomie
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  Kommentar von artichox-Chefredakteur Christian Meyer (aktualisiert: 12.10.2022)
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von Christian Meyer
Hybrid/Flex Casual, Crossover-Konzepte (Chamäleon-Konzepte, Multifunktionskonzepte, wandelbare Konzepte, s. Beispiele unten) federn im Idealfall Risiken ab. Leider hapert es oft bei der Umsetzung. Nehmen wir zuerst das Beispiel Nightlife und Clubbing:  Bekanntlich sind Nachtclubs ein Hochrisikogeschäft. Nicht nur Kleidermoden, sondern auch Disco- und Musikstile kommen und gehen. Nur ganz wenige Lokale können sich in dieser volatilen, von vielen Faktoren abhängigen Nightlife-Szene über Jahre behaupten - selbst in grösseren Städten. Trotzdem: Warum nicht etwas Neues im eigenen Betrieb wagen, warum nicht die bestehende Infrastruktur besser auslasten, Zusatzumsatz generieren, noch am späteren Abend bei gedämpftem Licht und geeignetem Sound die Cocktails schütteln? Das tönt alles vielversprechend. Leider sind nur wenige Experimente in diese Richtung erfolgreich. Manche Wagemutige, die beispielsweise ihr  A-la-carte-Restaurant oder Café-Restaurant zu später Stunde in ein brummendes Nachtlokal verwandeln wollten, mussten die Segel wieder streichen. Woran es liegt? Die Gründe im Fall Clubbing dürften vielfältig sein. Doch diese Probleme sind naheliegend: Vermutlich ist mit minimalen Veränderungen, etwa mit etwas gedimmter Beleuchtung und einer Mini-Tanzfläche kein Staat zu machen. Doch auch einst angesagte hybride Lokale mit teuren Restaurant- und Club-Ausstattungen wie das "Alice Choo" (später Space Monki) in Zürich mussten aufgeben. Und letztlich gar einem Discounter das Feld überlassen.
Shop-in-Shop, nicht ganz dasselbe, aber in diesem Zusammenhang erwähnenswert: Genau genommen lassen Shop-in-Shop-Betriebe die Wendung "alter Wein in neuen Schläuchen" zu - denn im Bergdorf beispielsweise war früher der Not gehorchend die Gastwirtschaft gleichzeitig Postbüro, Kiosk und Lebensmittelladen. Differenzierter, aber immer noch multifunktional ist dieses Hybrid-Prinzip: Beispielsweise der Coiffeur- oder Beautysalon, der ein elegantes Café in seinen Betrieb integriert. Selbstverständlich gehört da zum Haareschneiden ein Gratiskaffee zur Kundenpflege. Oder das im November 2021 eröffnete "Daiii" in Zürich, welches Bike-Werkstatt und Veloboutique  mit dem angegliedertem Café "Genuss und Leidenschaft" vereinen will.
Ein weiteres originelles Beispiel von Flexibilität: Die Service Staff des Mandarin Oriental Hotels in Honkong kann seine Theke für das opulente Frühstücksbuffet hochklappen und an der Wand verschwinden lassen (weitere Beispiele s. unten). Und damit Platz für den Abendbetrieb schaffen. Und schliesslich: Die Corner Bakery Cafés (s.unten) in den USA, eine seit Jahren erfolgreich operierende Restaurantkette, versucht gar nicht erst, seine Einrichtung zu verändern. Die Bakery Cafés richten lediglich ihr Speisenangebot nach der Tageszeit.
(c) Christian Meyer

 

Frühere Nachrichten über Hybrid-Betriebe...

23.09.2022|Zürich/Alternative zu millionenteuren Night-Club-Einrichtungen: Das neue "Charlatan" setzt mit improvisierter Ausstattung einen Kontrapunkt. Interessant: Es handelt sich um ein "Chamäleon"-Konzept - zu Essenszeiten Restaurant, abends Disco. Mehr...

USA:  Corner Bakery Cafés - das hybride Angebot.  Morgens Kaffee und ausgiebiges Frühstück, mittags Salate, Pasta, Sandwiches, Wähen und Fruchtgebäck, nachmittags monströse Kaffee-Kuchen-Combos zu Discount-Preisen, abends geht das  Sandwich-Pasta-Wähen-Programm von neuem  los - die US-Kette Corner Bakery als Hybrid-Betrieb-Kette hat es drauf und erarbeitet Jahr für Jahr eine solide Rendite (s.unten).
Die Bakery Cafés haben das Ziel, ihre Infrastruktur möglichst gut auszulasten und mit Zusatzgeschäften, wie beispielsweise speziellen Frühstücksangeboten, mehr Umsatz zu generieren - was übrigens auch McD in letzter Zeit überaus erfolgreich praktiziert.

Prominente Namen haben sich einem Hybridkonzept verschrieben. Die jüngste Neugründung auf Ibiza ist ein Club-Restaurant namens Heart. Und die hat es in sich. Die Idee des Clubs: ein dreifaches Erlebnis aus Essen, Tanz- und Musik. Die Macher im Hintergrund: Albert und Ferran Adrià, die Chefköche, die für ihr mit drei Michelin-Sternen dekoriertes Restaurant elBulli berühmt geworden sind und Guy Laliberté, der Gründer des Cirque du Soleil. Mehr...

Flex Casual, Soft Service, "Chamäleon-Betriebe" : Mittags SB, abends bedientes Restaurant, nachts Disco. Relativ wenige Restaurants haben sich bisher dieser und ähnlichen Betriebsarten verschrieben - eigentlich erstaunlich. Dazu Trendexperte Pierre Nierhaus: "In Fast-Casual-Betrieben lassen in der Regel die Frequenzen nach 20 Uhr nach. Deshalb scheint mir Flex-Casual eine spannende Lösung. Abends mögen sich viele Kunden nicht dreimal an der Theke anstellen. Doch das Angebot muss abends glaubhaft angepasst werden. Auch sollte die Atmosphäre, beispielsweise durch die Beleuchtung, verändert werden. In Grossbritannien gibts übrigens den Soft Service. Das heisst, die Gäste können sich entweder bedienen lassen oder ihr Essen und Getränk an der Theke abholen. In Helsinki und Stockholm habe ich eine ähnliche Mischform gesehen. Restaurants wie Skands beispielsweise bieten Theken und Bedienung - die Gäste holen sich ihre Getränke, das Essen wird serviert. Nierhaus nennt weitere Beispiele: "Da fällt mir das Hotel Mandarin Oriental in Hongkong mit einer raffinierten Idee ein: Das Frühstücksbuffet lässt sich hochklappen und in eine Nachtbar verwandeln. Oder in Europa: Seit Jahren erfolgreich sind beispielsweise die Buddha Bars, die nach dem Dinner Disco und Spektakel anbieten".

 

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